Beeinträchtigt durch Handicap? Ein neuartiges Assistenzsystem soll künftig im Berufsleben helfen

Bremen. Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt in nahezu allen Bereichen stark verändert. Sie fordert enorm, aber sie bietet auch mehr sowie vielfältige Optionen für die Teilhabe von Menschen mit Handicap am Berufsleben. Neue Technologien eröffnen Chancen, bei Beeinträchtigungen unterschiedlichster Art zu unterstützen und so eine Integration zu ermöglichen. Das BIBA - Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen und das Bremer Berufsbildungswerk (BBW) forschen nun gemeinsam dazu in dem Projekt „Realisierung eines barrierefreien Assistenzsystems zur schrittweisen Durchführung von Arbeitsaufgaben“ (BASDA).

Im Zuge der Digitalisierung haben sich die Bedingungen in den Arbeitsfeldern und -prozessen signifikant gewandelt. Gefordert sind neue Fähigkeiten und digitale Kompetenzen, die eng mit den klassischen Kulturtechniken verknüpft sind. Besonders für Menschen mit Handicap bringt das weitere Herausforderungen mit sich. Dieser Personenkreis kann zum Beispiel teilweise nur eingeschränkt lesen oder Wörter verstehen, daher Texte nur unzureichend und sinngemäß erfassen. Diese Hürden gilt es zu überwinden. Möglich ist das ebenfalls mithilfe der neuen Digitalisierungstechniken: Sie sind nicht nur bedeutend für Arbeitsprozesse, sondern auch für die Kompensation geringerer oder fehlender Ressourcen. Damit steigen für Menschen mit Handicap die Teilhabechancen in der Arbeitswelt.

Barrierefreie, flexible und individuelle Unterstützung

Mit dem Assistenzsystems "BASDA" soll ein Instrument geschaffen werden, das eine barrierefreie, flexible und individuelle Unterstützung im Arbeitsprozess bei der Erledigung von Arbeitsaufgaben bieten kann. Ziel ist es, Menschen mit Lern-, Körper-, und beziehungsweise oder psychischen Beeinträchtigungen die selbstständige Durchführung von Arbeitsaufgaben mithilfe eines mobilen Endgerätes zu ermöglichen. Dazu wird eine plattformübergreifende Anwendung auf Grundlage von Android entwickelt, die Informationen zu einzelnen Arbeitsschritten multimedial und barrierefrei anbietet.

Multimedialer Ansatz

Das zu entwickelnde Assistenzsystem soll vielfältige Konfigurationsmöglichkeiten bieten, um den individuellen Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht zu werden. Zur Förderung der Barrierefreiheit werden daher Einstellungen für leichte Sprache, Sprachwiedergabe, visualisierte Piktogramme, Animationen, verschiedene Farbpaletten für Farbschwächen sowie Technologien integriert, die das räumliche Vorstellen erleichtern.

Bei der Gestaltung der Endgeräte wird ein breiter Ansatz verfolgt. Das Assistenzsystem wird auf Basis von Android gestaltet, um mit Tablets, Smartphones und Datenbrillen nutzbar zu sein. Außerdem wird der Einsatz von geräuschunterdrückenden Kopfhörern sowie eine Steuerung per EEG-Sensor erprobt.

Augmented Reality und EEG-Sensor-Technik

„Der Forschungsschwerpunkt des Vorhabens liegt in der Erprobung innovativer HMI-Technologien in einer barrierefreien Anwendung“, sagt Benjamin Knoke, Wissenschaftler und Projektleiter am BIBA. „Das sind Human Machine Interfaces, also Technologien der Mensch-Maschine-Schnittstellen wie beispielsweise Datenbrillen“, erklärt er. „Diese Smartglasses liefern ihren Nutzerinnen und Nutzern zusätzlich zur realen Umgebung hilfreiche Informationen, bieten also eine erweiterte Realität, auch ‚Augmented Reality‘ genannt. Darüber hinaus forschen wir in dem Projekt – das ist das wesentliche Neue für diesen Einsatzbereich – zur Anwendung von Elektroenzephalographie-Sensoren. Ein EEG-Sensor wie zum Beispiel ‚NextMind‘ kann ähnlich wie ein Stirnband getragen werden und misst die Gehirnströme des Anwenders. Nach einer entsprechenden Kalibrierung könnten so einfache Eingaben getätigt und das Assistenzsystem mittels Gedanken gesteuert werden.“

In dem Vorhaben wird unter anderem untersucht, mit welchen Technologien die Mensch-Maschine Schnittstelle zum Assistenzsystem barrierefrei gestaltet werden kann, wie die Nutzerinnen und Nutzer in verschiedenen Arbeitsumgebungen mit den Technologien interagieren, wie die Technologieakzeptanz gefördert werden kann, und bei welchen Aspekten der HMI-Technologien noch Entwicklungsbedarf besteht.

Unternehmen können eigene Inhalte erstellen

Neben dem Assistenzsystem wird auch ein Aufgabenportal entwickelt, mit dem Unternehmen Inhalte zu individuellen Arbeitsaufgaben erstellen können. In diesem niederschwellig zu bedienendem System können Informationen und Medieninhalte einzelnen Arbeitsschritten zugeordnet werden. Außerdem kann das Portal zur Organisation von Kursen und der Zuordnung von Teilnehmern, Teilnehmergruppen und Inhalten verwendet werden. Auch eine Funktion zur Bewertung der Arbeitsleistung wird im Kontext der Ausbildung erprobt und mit einem spieleähnlichen Anreizsystem kombiniert.

System wird kostenfrei zur Verfügung stehen

Das in dem Projekt entwickelte und erprobte Assistenzsystem sowie das Aufgabenportal sind nach Projektabschluss kostenfrei über die Projektwebseite (www.basda.de) zu erhalten. Um den Transfer zu erleichtern, wird neben einer umfassenden Dokumentation auch eine Beispielaufgabe erstellt, die schrittweise durch die Erstellung individueller Inhalte führt und dabei bereits das Assistenzsystem verwendet.

Eckdaten zum Projekt „BASDA“

Das Forschungsprojekt „Realisierung eines barrierefreien Assistenzsystems zur schrittweisen Durchführung von Arbeitsaufgaben“ (BASDA) hat eine Laufzeit von zwölf Monaten und wird vom Amt für Versorgung und Integration Bremen (AVIB) gefördert. Partner sind das Bremer Berufsbildungswerk (BBW) und das BIBA - Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen. Die Koordination und Leitung des Vorhabens liegen beim BIBA. Mit den Forschungen und der Entwicklung des neuartigen Assistenzsystems soll die Integration von Menschen mit Beeinträchtigung ins Arbeitsleben unterstützt werden, beginnend bereits in der Ausbildung.

(Benjamin Knoke, Sabine Nollmann)

Weitere Informationen:

www.basda.de
www.biba.uni-bremen.de
www.bbw-bremen.de 

Fragen beantworten:

Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus-Dieter Thoben (BIBA), Telefon: 0421 218-50 005, E-Mail: tho@biba.uni-bremen.de
Benjamin Knoke, M. Sc. (BIBA), Telefon: 0421 218-50 185, E-Mail: kno@biba.uni-bremen.de
Dr. Torben Möller (BBW), Telefon: 0421 23 83-222, E-Mail: leitung@bbw-bremen.de

Bilder zur Pressemitteilung

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Sabine Nollmann (Journalistin Wissenschaftskommunikation | kontexta)
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